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Herzloser Prinz

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DAHLIA

FÜNF JAHRE SPÄTER …

„BIST DU DIR SICHER, dass es dir gut geht?“ Damon zieht die Augenbrauen zusammen.

Ich nicke. „Ich will es lernen.“

Ich putze den Dreck von meiner kurzen Hose, erhebe mich vom Boden und richte mein Fahrrad wieder auf. Ein kleiner Blutstropfen rinnt an meinem aufgeschürften Knie hinunter, aber ich ignoriere ihn. Jetzt ist nicht die Zeit, mich von einer kleinen Schürfwunde aufhalten zu lassen.

Ja, ich bin fast dreißig Jahre alt, und nein, ich weiß nicht, wie man Fahrrad fährt.

Das wird sich jetzt ändern.

Ich greife den Lenker und schwinge ein Bein hinüber.

Damon prüft meinen Helm, nickt mir zu und tritt einen Schritt zurück. „Du schaffst das. Ich glaube an dich.“

Ich atme tief durch und schaue auf den verlassenen Abschnitt des Schlossweges, der vor mir liegt.

Ein Geräusch, das Damon entweicht, unterbricht meine Konzentration. Ich blicke zu ihm hinüber und sehe, wie er sich ein Lächeln verkneift.

„Was?“

„Nichts.“ Er schüttelt den Kopf.

„Sag es mir.“

„Du bist süß, das ist alles. Du hast diesen wirklich ernsten Gesichtsausdruck, als würdest du gleich einen Weltrekord aufstellen.“

„Es ist möglicherweise ein Weltrekord, wenn jemand, der so alt ist wie ich, lernt, so ein Ding zu fahren.“

Damon grinst erneut, versteckt es aber schnell wieder. „Komm schon“, sagt er. „Lass es uns noch einmal versuchen. Und denke daran, je schneller du fährst, desto stabiler wirst du dich fühlen.“

Ich atme tief ein und nicke. „In Ordnung.“

Mit den Händen umklammere ich den Lenker und starre den Weg hinunter. Das ist lächerlich – und ich weiß es. Meine beiden Kinder – Kleinkinder – können fast besser Fahrradfahren als ich. Ich habe einen Studienabschluss, bin seit über fünf Jahren verheiratet, habe zwei Kinder zur Welt gebracht …, aber ich kann keine Straße entlang radeln, ohne umzufallen.

Nun, heute ist der Tag, an dem sich das ändert. Ich werde lernen, wie man dieses Fahrrad fährt, und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Mit einem Fuß auf dem Pedal atme ich noch einmal tief ein. Ich ignoriere die brennende Haut an meinem Knie, starre den Weg hinunter …

… und stoße mich ab.

Schwankend hebe ich meinen anderen Fuß auf das Pedal und fahre los. Das Fahrrad wackelt und ich verliere fast die Kontrolle, aber dann erinnere ich mich an Damons Worte.

Je schneller ich fahre, desto leichter wird es sein.

Ich liebe ihn und vertraue ihm, also tue ich, was er gesagt hat. Ich beiße die Zähne zusammen und trete in die Pedale, wie ich es noch nie zuvor getan habe. Meine Füße drehen Kreise und schon bald fliege ich den Pfad entlang. Damons Schritte hämmern hinter mir.

„Fahr weiter, Dahlia! Du schaffst es!“

Der Wind rauscht um mein Gesicht, während das Adrenalin durch mich strömt. Als ich an Geschwindigkeit gewinne, breitet sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus.

Ich schaffe es wirklich. Ich fahre Fahrrad! Endlich, nach Jahren des Meidens, Jahren der Angst davor, mache ich es wirklich. Nichts kann mich jetzt aufhalten!

Das Lachen sprudelt in mir hoch, als ich schneller und schneller werde. Damon ruft mir aufmunternde Worte zu, während er mir immer noch hinterherläuft. Ich kann sein angestrengtes Atmen hinter mir hören, aber es ist mir egal.

Ich fliege. Ich bin so schnell, dass ich das Gefühl habe, ich würde gleich abheben. Ich trete in die Pedale und fahre den Weg immer schneller hinunter, während immer mehr Gelächter aus mir sprudelt.

Mein Griff um den Lenker lockert sich leicht, als die Euphorie meine Adern durchflutet.

Ich hatte mein ganzes Leben lang Angst davor. Ich habe es nicht lernen wollen und als ich älter wurde, war es nicht mehr so ein großes Thema. Als Damon mir letztes Jahr dieses Fahrrad gekauft hat, ließ ich es monatelang in der Garage stehen, ohne es auch nur anzufassen.

Ich habe mich von meiner Angst aufhalten lassen. Ich habe zugelassen, dass dieses kleine Fahrrad mich kontrolliert.

Nun, jetzt nicht mehr.

Ich kann mir das Lächeln nicht verkneifen. Ich trete fester in die Pedale und nehme immer mehr Tempo auf. Der Weg führt leicht bergab und schon bald bin ich schneller unterwegs als je zuvor. Damons Schritte verschwinden in der Ferne, aber ich kann immer noch die aufmunternden Worte hören, die er mir zuruft.

Und dann, schwanke ich – und fange mich wieder.

Mein Herz schlägt laut und ich umklammere den Lenker fester. Mein Atem kommt stoßweise und Schweiß bildet sich zwischen meinen Schulterblättern. Ich bin heute bereits einmal gestürzt und werde es nicht wieder tun.

Aber der Weg wird steiler und ich fühle mich für dieses Tempo nicht ganz gewappnet. Mein Vorderreifen erwischt einen Kieselstein und ich gerate erneut ins Taumeln.

Und wieder fange ich mich und richte das Rad auf. Inzwischen kann ich Blut in meinem Mund schmecken. Ich knirsche mit den Zähnen, während mir das Herz bis zum Hals schlägt.

Der Weg wird immer steiler und ich fange an zu schreien. „Damon!“

„Bremse!“

Ich kann nicht klar denken. Wie soll ich noch einmal bremsen?

Wackel.

„Bremse, Dahlia!“

Worte funktionieren nicht. Wie zum Teufel soll ich auf diesem Ding bremsen? Ich trete rückwärts in die Pedale, aber das bringt mich nur noch mehr ins Schwanken.

„Damon!“

„Bremse, Dahlia! Versuche es noch einmal!“ Seine Stimme verklingt in der Ferne, aber ich kann mich nicht umdrehen. Ich sehe nichts als den harten Asphalt des Weges, der sich vor mir abzeichnet. Ich ahne schon, dass ich noch mehr Schrammen davontragen werde. Ich werde mehr blaue Flecken haben als Damon nach seinem Ausflug ins Lagerhaus.

Angst schießt durch mich hindurch. „Ich weiß nicht, wie!“

Wackel.

Damons Schritte hämmern über den Asphalt hinter mir. „Zieh die Bremse am Lenker! Oder ziele auf die Büsche!“

Natürlich – der Lenker!

Am Fuße des Hügels ragt eine dichte Hecke auf. In den Tiefen meines Gehirns weiß ich, was Damon gesagt hat. Er hat mir zwei Möglichkeiten gegeben – bremsen oder auf die Büsche zielen. Aber in der Hitze des Gefechts gerät mein Verstand durcheinander. Irgendwie mache ich beides. Ich schreie, reiße den Lenker in Richtung Gebüsch herum und ziehe die Bremshebel so fest wie möglich nach unten.

Das Fahrrad bleibt stehen, ich aber nicht.

Der Sturz ist nicht so schlimm, wie ich erwartet habe. Ich fliege über den Lenker und lande im Gebüsch, was meine Bruchlandung deutlich mildert. Die Äste zerkratzen meine Arme und Beine, als ich durch sie hindurch stürze und mit einem Uff auf der harten, festen Erde darunter lande.

Damon rast keuchend auf mich zu. Er hockt sich hin, zieht mich aus dem Busch und schließt mich in die Arme. „Geht es dir gut?“

„Ich glaube schon“, schnaufe ich. Ich bewege meine Arme und Beine. „Ich glaube nicht, dass ich mir etwas gebrochen habe.“

„Verdammte Scheiße, Dahlia.“

„Ich habe vergessen, wie man bremst.“ Ich setze mich auf und zucke zusammen, als der stechende Schmerz von hundert Schrammen und Kratzern zu brennen beginnt. Ich nehme meinen Helm ab und werfe ihn zur Seite.

„Nun, es sieht so aus, als hättest du dich wieder daran erinnert“, sagt Damon und steht auf. Er hilft mir auf die Beine und schließt mich in den Arm. „Es tut mir leid, Dahlia. Vielleicht sollten wir für heute damit aufhören.“

Er verstummt und ich bemerke, dass er sich ein Grinsen verkneift. Ich brauche sein Gesicht nicht einmal zu sehen, um zu wissen, dass er kurz davor ist, lauthals loszulachen. Er schlingt seine Arme um mich und ein kleines Glucksen entweicht seinen Lippen.

„Damon …“

„Ich lache nicht.“ Ein weiteres leises Glucksen.

„Es klingt aber so, als ob du lachst.“

„Ich lache nicht, versprochen.“ Er gluckst schon wieder. „Es war nur der Anblick, wie du in die Büsche gekracht bist …“

Ich löse mich von ihm und tue mein Bestes, um wütend auszusehen. In der Sekunde, in der ich ihm ins Gesicht blicke, weiß ich jedoch, dass ich es nicht durchhalten werde. Wir brechen beide in schallendes Gelächter aus. Damon lacht laut mit weit offenem Mund. Jedes Mal, wenn er mich ansieht, fängt er von Neuem an zu grölen.

Wir beruhigen uns, aber dann greift der Prinz hinüber und zieht mir einen Zweig aus dem Haar. Und wir fangen wieder an zu lachen.

Schließlich zieht Damon das Fahrrad aus dem Gebüsch und hinterlässt dabei eine ziemliche Lücke im Strauchwerk. Mein Fahrrad sieht noch ganz gut aus und wir machen uns auf den Weg zurück ins Schloss.

Ich hole tief Luft. „Nun, wenigstens bin ich dieses Mal weiter gekommen als beim letzten Mal.“

„Du hast es ziemlich gut gemacht. Du hast an Geschwindigkeit zugelegt!“ Damons Augen funkeln und ich stoße ihn mit der Schulter an.

Ich versuche mein Bestes, mein Gesicht ernst zu behalten. „Ich hätte mich verletzen können.“

„Gut, dass es hier so viel Gebüsch gibt.“ Er verkneift sich ein Lachen und ich stöhne.

Damon schiebt mein Fahrrad und ich trage meinen Helm mit einer Hand. Mein Ehemann sieht mich an.

„Geht es dir gut?“

„Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich fürs Radfahren geschaffen bin.“

„Ich verstehe nicht, warum es dir so schwerfällt.“

„Kann ein Mann, dem es warm ist, einen Menschen verstehen, dem es friert?“

Damon grinst. „Tolstoi?“

„Solschenizyn.“

„Ah, natürlich“, grinst er. „Nun, die Dinge können nicht allzu schlimm sein, wenn du immer noch die Russen zitierst.“

„Die Russen mussten aber als Erwachsene auch nicht lernen, wie man Fahrrad fährt. Wer auch immer gesagt hat: ‚Das ist so einfach wie Fahrradfahren‘, hatte keine Ahnung, wovon er spricht.“

Mein Körper schmerzt, aber jedes Mal, wenn ich Damon ansehe, möchte ich nur lachen.

So sind die letzten fünf Jahre gewesen. Jedes Mal, wenn ich denke, dass irgendetwas schwer ist oder ich mich schlecht, wütend oder verletzt fühle, gibt Damon mir das Gefühl, dass alles gut werden wird.

Als wir um die letzte Ecke biegen und das Schloss erreichen, habe auch ich ein Lächeln im Gesicht. Elle, die Königin, sitzt mit zwei Kindermädchen und mit ihrer jüngsten Tochter im Arm im Gras. Meine beiden Kinder rennen mit ihren beiden ältesten herum. Sie sieht uns mit großen Augen an. Als wir näher kommen, fällt ihr Blick auf meine aufgeschürften Knie und die zerkratzen Arme.

Sie zieht die Augenbrauen hoch. „Wie ist die Übungsstunde gelaufen?“

„Dahlia hat sich wunderbar geschlagen“, grinst Damon.

Elle mustert meinen geschundenen Körper. „Ach was.“

„Fortschritt ist Fortschritt“, sagt Damon, während ein weiteres Glucksen von seinen Lippen entweicht. Er greift hinüber und zieht mir noch ein Blatt aus dem Haar.

Elle kämpft darum, sich ein Grinsen zu verkneifen. Dawn, unsere älteste Tochter, stürmt auf mich zu und gibt mir eine riesige Kinderumarmung. Sie beugt sich vor und küsst mein Knie.

„Für dein Aua.“

„Ich danke dir, Dawn“, sage ich und beuge mich vor, um ihren Kopf zu küssen. Sie stürmt erneut mit dem kleinen Charlie los. Die beiden sind unzertrennlich, seit sie krabbeln können.

Eines der Kindermädchen holt einen Erste-Hilfe-Kasten und Damon und ich setzen uns neben Elle. Ich verarzte meine Schürfwunden und sehe unseren Kindern beim Spielen zu. Damon legt einen Arm um mich und zieht mich an sich.

„Ich bin stolz auf dich“, flüstert er mir ins Ohr.

„Weil ich in einen Busch gekracht bin?“

„Dafür, dass du den Mut hattest, es zu versuchen, und dass du wieder aufgestanden bist, nachdem du gefallen bist.“

Er drückt mir einen sanften Kuss auf die Lippen und ich schmiege mich in seine Arme. König Charlie erscheint mit einem Korb voller Essen in der Tür und wir vier – mit noch zwei Kindermädchen und fünf Kindern – teilen uns die Leckereien und Getränke auf dem Schlossrasen. Damon schildert meinen Abflug ins Gebüsch so detailliert, dass auch ich lachen muss, bis mir die Wangen wehtun.

„Ich würde dafür bezahlen, um das zu sehen“, grinst Elle und zwinkert mir zu.

„Ich würde dafür bezahlen, dass du es nicht siehst.“ Ich lache und schüttle den Kopf.

„Wenn Gabe hier wäre, würde er es dir im Handumdrehen beibringen“, sagt Damon. „Er kann Sprünge und Tricks auf seinem Fahrrad machen – er war ein richtiger kleiner Draufgänger, als wir noch Kinder waren.“

„Ist er immer noch auf dem Landsitz?“

Charlie grunzt als Antwort. Sein Gesicht verdunkelt sich und er schüttelt den Kopf. „Er ist schon seit fast einem Jahr nicht mehr ins Schloss von Farcliff gekommen. Ich musste einen unserer Gärtner schicken, um sicherzugehen, dass er noch lebt.“

Damon seufzt und wir vier werden still. Niemand sagt etwas, bis Dawn und der kleine Charlie auf uns zustürmen. Ihr Lachen hellt unsere Stimmung auf und ich schließe meine Tochter in die Arme und bedecke sie mit Küsschen.

Elle und Charlie sehen so glücklich aus, wie ich mich fühle. Damon schlingt seine Arme um uns, als unser Jüngster, Damon Jr., ebenfalls in seine Umarmung stürmt.

Ich bin vielleicht nicht die beste Radfahrerin im Königreich, aber ich bin die glücklichste. Umgeben von Freunden und Familie mit fröhlichen, gesunden Kindern, weiß ich, dass ich die glücklichste Frau in Farcliff bin. Damon schlingt einen Arm um mich und küsst meine Schläfe.

„Morgen um dieselbe Zeit?“

„Ich lasse die Kratzer vielleicht erst einmal heilen.“ Ich hebe meine ramponierten Arme hoch und deute auf meine zerschundenen Knie.

Damon lacht leise. „In Ordnung, abgemacht. Dann eben nächste Woche.“

„Dir macht das viel zu viel Spaß.“

„Mit dir macht mir alles Spaß, Dahlia.“ Er küsst mich sanft und löst sich von mir, als ein Lachen aus ihm heraussprudelt. „Aber ja, das war die beste Unterhaltung seit Wochen.“

Noch bevor ich protestieren kann, schließt er mich in seine Arme und drückt mir einen nassen, lauten Schmatzer auf die Wange. Ich jauchzte und lache und unsere Kinder springen auf uns. Mein Herz quillt über vor Dankbarkeit.

Ich weiß vielleicht nicht, wie man Fahrrad fährt, aber ich habe eine liebevolle Familie und gesunde, glückliche Kinder. Er lächelt mich an und zwinkert. Wir stehen auf und gehen zum Schloss zurück – zurück zu unserem Zuhause. Ich säubere meine Wunden und schlinge meine Arme um meinen Mann. Ich weiß nicht, ob ich diese Art von Glück verdiene, aber ich bin dankbar dafür.

„Ich liebe dich, Dahlia“, sagt Damon, als er meine Nasenspitze küsst. Ich sinke in seine Umarmung und seufze zufrieden. So geprellt und zerkratzt ich auch sein mag, ich habe mich noch nie besser gefühlt als in diesem Moment.

Der Prinz ist ein wildes Biest und jeder weiß es.
Ich muss ihm einfach nur aus dem Weg gehen.
Simpel, ... nicht wahr?

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