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DANTE
IN ARGYLE KONNTE ich zu meinem Geburtstag normalerweise warme Wintersonne genießen, Sand unter den Füßen spüren und vielleicht ein wenig surfen gehen. Als ich noch klein war, versuchte ich mich stets vor meiner Familie zu verstecken. Aber sie fanden mich immer in irgendeiner Ecke des Schlosses und zerrten mich zum Feiern hinaus.
In Farcliff ist mein Geburtstag mitten im Winter.
Ich wache zu einer frischen, weißen Schneedecke über der Welt auf. Ich brauche dreißig Minuten, um die Einfahrt so weit zu räumen, dass ich das Auto hinausfahren kann. Ich renne wieder hinein, um Margot einen letzten Kuss zu geben.
„Ich bin in anderthalb Stunden zurück. Ich muss nur ein paar Papiere im Zentrum unterschreiben.“
„In Ordnung“, murmelt Margot und dreht sich im Bett um. „Wo sind die Kinder?“
Hope ist inzwischen fast sieben Jahre alt und ihr kleiner Bruder, Ollie, ist zwei. Wir haben Ollie adoptiert, als er noch ein Baby war, und er brachte eine weitere Welle der Freude – und schlaflose Nächte – in unser Leben.
„Sie schlafen noch.“
„Ich stehe jetzt auf“, sagt Margot und seufzt.
„Lass dir Zeit.“ Ich drücke ihr noch einen Kuss auf die Stirn. „Ich werde nach ihnen sehen.“
Während die Kinder noch schlafen und Margot zur Kaffeemaschine schlurft, mache ich mich auf den Weg zum Wagen. Nach einer vierzigminütigen Fahrt nach Farcliff parke ich den Wagen hinter dem Chorea-Huntington-Zentrum. Unsere Empfangsdame ist bereits da. Sie schenkt mir ein breites Lächeln und schiebt mir einen Stapel Papiere zu.
„Ich brauche nur noch Eure Unterschrift, Eure Hoheit.“
„Nenn mich Dante, bitte. Wie oft muss ich das noch sagen?“ Ich schüttle den Kopf und lächle. „Ich bin nicht mehr wirklich ein Prinz.“
„Ihr kommt mir aber wie ein Prinz vor“, sagt sie und zuckt mit den Schultern.
Nachdem ich die Papiere unterschrieben habe, gehe ich ins Büro und stelle sicher, dass keine Nachrichten auf mich warten. Das Zentrum ist heute ruhig und bis nächste Woche sind keine weiteren Veranstaltungen geplant.
Zufrieden, dass alles unter Kontrolle ist, fahre ich durch die verschneiten Straßen zurück zu unserer Hütte außerhalb der Stadt. Sobald ich die Stadt verlasse, atme ich tief durch.
Der Schnee dämpft die Geräusche und lässt die Luft schwer und frisch erscheinen. Ich fahre langsam und kurble das Fenster leicht hinunter, um die frische Luft auf meiner Haut zu spüren.
Nach ein paar Jahren hier habe ich mich endlich an die Kälte gewöhnt. Ein Teil von mir mag sie sogar.
Das Beste am kalten Wetter ist jedoch, ein warmes Haus zu betreten.
Als ich in unsere Hütte komme, werde ich von den über den Parkettboden stapfenden Pfoten unseres Hundes Fletch und einem Quietschen von Hope begrüßt.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“, ruft sie und rennt hinter Fletch um die Ecke. Sie trägt einen Partyhut und hat ein breites Grinsen im Gesicht, als sie ihre Arme um meine Taille schlingt. „Komm mit in die Küche.“
Letzte Woche ist einer von Hopes Vorderzähnen ausgefallen. Sie lächelt noch breiter und schiebt ihre Zunge in die Zahnlücke. Ich greife nach der Hand meiner Tochter und streiche mit der anderen über den Kopf meines Hundes.
In der Küche wartet Margot auf uns. Ollie klebt an ihren Beinen und lacht über etwas, das nur ein Zweijähriger verstehen kann. Auf der Kücheninsel steht ein riesiger Kuchen, auf dem eine Vielzahl von Kerzen brennt.
„Ich musste in zwei Geschäfte gehen, um genügend Kerzen zu besorgen“, grinst Margot. „Du wirst alt.“
„Das muss es sein“, lache ich und schütze mein Gesicht vor der Hitze der Kerzen.
„Wünsch dir was!“ Hope springt von einem Fuß auf den anderen. Ihre Augen strahlen, als sie mich ansieht. „Puste sie aus.“
Ich kneife die Augen zusammen und überlege, was ich mir wünschen könnte.
Als ich meine Augen wieder öffne und meine Frau, meinen Sohn und meine Tochter ansehe, die mich alle anstarren, weiß ich nicht genau, was ich mir noch wünschen könnte.
Vielleicht noch mehr vom Gleichen. Mehr Kinder. Mehr Hunde. Mehr Liebe und Lachen.
Ich hole tief Luft und blase alle Kerzen bis auf zwei aus. Ich lösche sie mit einem weiteren Atemzug. Hope lacht und klatscht in die Hände. Margot macht sich daran, die Kerzen aus dem Kuchen zu ziehen, und ich nehme ein paar Teller aus dem Schrank.
Ollie gelingt es irgendwie, auf einen Stuhl zu klettern, während wir ihm beide den Rücken zuwenden. Er schlägt mit seiner kleinen Faust auf die Schokoladentorte und verteilt Zuckerguss und Krümel über die ganze Theke und sich selbst. Margot schreit auf, packt ihn und trägt ihn zur Spüle, aber nicht bevor er es geschafft hat, seine Backen mit Kuchen vollzustopfen. Sein Mund und Arm sind beschmiert und quer über seinem T-Shirt klebt ein großer Striemen Schokoladenglasur.
„Lecker“, sagt er und grinst, sodass Margot und ich uns ein Lachen nicht verkneifen können.
„Kuchen zum Frühstück gibt es nur an Geburtstagen“, sage ich zu Hope und stupse sie mit meiner Schulter an. „Also gewöhne dich nicht daran.“
„Ich weiß, ich weiß“, sagt Hope und rollt mit den Augen. „Und mein Geburtstag ist erst im April.“
Margot wirft mir einen Blick zu und lächelt. Hope wird im April sieben Jahre alt und ist jetzt schon so frech wie ein Teenager.
Wir vier sitzen um die Kücheninsel herum und essen jeder ein Stück Kuchen. Ollie verlangt nach mehr, aber Margot ist schnell zur Stelle und deckt den Kuchen ab, bevor er weiteren Schaden anrichten kann.
Als die Kinder loslaufen, um zu spielen, kommt Margot an meine Seite und schlingt ihre Arme um meine Taille.
„Was hast du dir gewünscht?“
„Wenn ich dir das sage, wird es ja nicht in Erfüllung gehen.“
„Nun, ich habe ein paar Geschenke für dich, aber zuerst …“ Margot greift in eine unserer Schubladen und zieht einen Brief heraus. Ihre Augen strahlen, als sie mich ansieht und ein sanftes Lächeln umspielt ihre Lippen. „Das ist der Bewilligungsbrief von der Adoptionsagentur. Wir dürfen ein weiteres Kind adoptieren.“
„Wirklich?“ Ich reiße die Augen weit auf, als ich den Brief überfliege. Ich atme tief ein und dann wieder aus. „Das ging ja viel schneller als beim letzten Mal.“
„Wenn du immer noch ein weiteres Kind adoptieren willst?“ Margot saugt ihre Unterlippe zwischen ihre Zähne und zieht die Augenbrauen hoch. „Du willst es doch noch, oder?“
Ihre Stimme ist leise. Sie starrt mich mit großen Augen an, während ich immer noch versuche, die Information zu verarbeiten.
Wir wurden bewilligt. Wir dürfen wieder adoptieren.
Mein Geburtstagswunsch ist gerade in Erfüllung gegangen – mehr Kinder. Mehr Liebe. Mehr Lachen.
„Dante?“, fragt Margot im Flüsterton.
Dann fange ich an zu lachen. Ich schlinge meine Arme um meine Frau und drehe sie in der Küche im Kreis, während ich ihr einen Kuss auf die Lippen drücke.
Als ich sie wieder absetze, strahlen ihre Augen. „Ich nehme an, das bedeutet Ja?“
„Natürlich ist es ein Ja“, sage ich und schmiege meine Nase an ihre. „Das ist das schönste Geburtstagsgeschenk, das ich mir wünschen könnte.“
Kaum habe ich den Satz beendet, ertönt ein lautes Krachen aus dem Nebenzimmer. Ollies Wimmern folgt.
„Es ist nichts! Kommt nicht rein!“, ruft Hope.
Margot lässt die Schultern sinken und seufzt. „Bist du dir wirklich ganz sicher, dass du noch eins haben willst?“
Ich gluckse und folge ihr in Richtung der Geräusche des Chaos im Nebenraum. „Ja, solange du es willst.“
DEN REST MEINES Geburtstages verbringe ich mit meiner Familie. Die Kinder schenken mir selbstgebastelte Karten und Margot präsentiert mir einen erstklassigen Spitzencomputer, auf den ich schon seit Monaten scharf bin. Als die Kinder an diesem Abend einschlafen, machen Margot und ich es uns auf der Couch gemütlich. Sie schmiegt ihren Kopf in meine Halsbeuge und ich streiche ihr mit den Fingerspitzen durchs Haar.
„Vielen Dank für den tollen Tag“, sage ich zu ihr.
Sie lächelt und schaut zu mir auf. „Ich habe für nächste Woche einen Termin mit der Adoptionsagentur vereinbart, also könnte dies eine unserer letzten Zeiten mit nur zwei Kindern sein.“
Mein Herz klopft und es schnürt mir die Kehle zu. Ich schüttle den Kopf und verschränke meine Finger mit ihren. „Ich liebe dich, Margot.“
Margot presst ihre Lippen auf meine und verspricht mir ein letztes Geburtstagsgeschenk. Sie nimmt mich bei der Hand, führt mich ins Schlafzimmer und schließt die Tür hinter uns ab.
Als sie sich auszieht, ein Kleidungsstück nach dem anderen, weiß ich, dass es keinen größeren Glückspilz auf der Welt gibt als mich.
Ich brauche keinen königlichen Titel. Ich brauche keine Privatinsel in Argyle. Ich brauche weder Geld noch Einfluss.
Ich brauche nur Margot, die Kinder und das Leben, das wir uns zusammen aufgebaut haben.
An Tagen wie heute sprechen Margot und ich nicht einmal über ihre Krankheit. Wir sprechen nicht über die Zukunft, es sei denn, wir sprechen über Hoffnung und Glück.
Als ich mit meinen Händen über Margots Körper streichle, füllt sich mein Herz bis zum Rand. Ich küsse die Frau meiner Träume, erobere ihre Lippen und verstricke meine Finger in ihrem Haar.
Wir fallen zusammen ins Bett. Ich schlafe so mit meiner Frau, wie sie es verdient, geliebt zu werden. Ich beobachte, wie die Ekstase aus jeder ihrer Poren strömt, und sauge ihre Lust auf, bis wir beide erschöpft und schläfrig in den Armen des anderen liegen.
Mit einem Seufzer drückt Margot ihre Wange an meine Schulter. „Ich liebe dich, Dante.“
Ich höre diese vier einfachen Worte fast jeden Tag, aber sie lassen mein Herz immer noch höherschlagen. Ich schlinge die Arme um meine Frau und halte sie fest.
Manchmal vergesse ich, dass sie krank ist. Ich lebe in der Hoffnung, dass die Forschung auf dem Gebiet von Chorea Huntington genügend Fortschritte macht, um ein Heilmittel zu finden, bevor es zu spät ist. Ich lebe in der Gegenwart und versuche, jede gemeinsame Minute zu genießen.
Als sie mir sagte, dass sie noch ein Kind adoptieren will, hat Margot mir gezeigt, dass sie genauso fühlt wie ich. Wir haben vielleicht nicht so viel Zeit zusammen wie ein normales gesundes Paar, aber wir werden das Beste daraus machen.
Wir werden die Familie kreieren, die wir haben wollen. Wir werden unsere Kinder von ganzem Herzen lieben und einander immer zur Seite stehen.
Margot ist alles für mich und als sie ein letztes Mal ‚Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag‘ flüstert, drücke ich ihr einen Kuss auf die Schläfe und halte sie fest.
Schon bald werden wir uns um ein weiteres Kind kümmern müssen und in unserem geschäftigen Haushalt wird noch mehr Chaos herrschen.
Aber wir werden zusammen sein und für mich ist das alles, was zählt.